01. August 2014

Nordrach am Beginn des Ersten Weltkriegs

Dr. Martin Ruch war bei seiner Spurensuche auf viele Namen von Offenburger Familien jüdischen Glaubens gestoßen, deren Männer im Ersten Weltkrieg gekämpft und sich für ihr Vaterland geopfert hatten. Gedankt wurde es ihnen nicht. Ein Schicksal unter mehreren über die er berichtete: Der Sparkasseninspektor Siegfried Maier aus Offenburg. Herr Maier der bei den Kämpfen an der Somme und Yser, bei Arras, in der Champagne und in Flandern schwer verwundet wurde. Er erhielt Kriegsauszeichnungen und nach dem Krieg eine Kriegsbeschädigtenrente. Aber 1933 sollte er aus dem städtischen Dienst entlassen werden. Der Beamtenbund sich erfolgreich für ihn ein: Seine Tüchtigkeit sei allgemein bekannt, durch sein zurückhaltendes, ordentliches Wesen, seine Gewissenhaftigkeit und strenge Pflichtauffassung habe er sich die Beliebtheit aller Bevölkerungskreise erworben. Man konnte also in den ersten Tagen des Nazireiches noch über den Patriotismus der Juden im Ersten Weltkrieg schreiben. Aber im Oktober 1940 wurde auch Siegfried Maier in ein Internierungslager nach Gurs in Südfrankreich deportiert, von dort über Drancy bei Paris am 10. August 1942 nach Auschwitz, wo er ermordet wurde. In der Chronik der Sparkasse sucht man heute seinen Namen leider vergebens. Die Juden seien Drückeberger! Judenfeindliche Kräfte wollten diese Unterstellung der Jüdischen Bevölkerung während des Ersten Weltkrieges immer wieder anheften. Das Gegenteil war aber wahr, wie damals eine Untersuchung ergab, die ausgerechnet vom Kriegsministerium durchgeführt wurde. Das Ergebnis dieser Statistik: Ein Fünftel der Deutschen jüdischen Glaubens war eingezogen worden, von ihnen fielen 15 Prozent, vom Gesamtheer 11 Prozent. Erheblich höher war also das Opfer der deutschen Juden für ihr Vaterland gewesen und der Vorwurf der Drückebergerei entbehrte jeder sachlichen Grundlage. Diese sogenannte „Judenzählung“ bedeutete daher eine ganz besondere, bislang einzigartige Diffamierung für alle deutschen Juden und zerstörte bei vielen die Hoffnung auf allgemeine Assimilation. Die für die jüdischen Männer so positiven Ergebnisse wurden übrigens nie veröffentlicht. In Deutschland wie in Frankreich zeigten sich Juden kriegsbegeistert, um sich als hundertprozentige Deutsche bzw. Franzosen zu zeigen. Mit ihrem Engagement für den Krieg wollten sie eigentlich die „endgültige“ Anerkennung als vollwertige Deutsche erlangen. Wer als jüdischer Soldat den Krieg von 1914-1918 glücklicherweise überlebt hatte – der wurde 15 Jahre später für seinen patriotischen Einsatz von einst bestraft. Denn Juden durften nach der offiziellen Anschauung des Nazireiches nicht tapfer gewesen, ja, sie durften nicht einmal für Deutschland gefallen sein. Ihre Namen wurden aus den Verlustlisten entfernt, die Erinnerung an sie wurde gestrichen. Es war ihnen verboten, Ehrenzeichen oder Orden zu tragen. Den Hauptteil seines Referats widmete Dr. Martin Ruch dem Gedenken an die vielen jüdischen Familien, deren Männer und viele ihrer Söhne im Ersten Weltkrieg gefallen sind. Statt eine Anerkennung dieser Opfer zu erhalten, verfielen viele Mütter und Ehefrauen in Armut, sie wurden gedemütigt, von den Nationalsozialisten im Alter in das Lager Gurs in Südfrankreich und von dort in Vernichtungslager deportiert und umgebracht. Das tragische Schicksal des SPD-Reichstagsabgeordnete Ludwig Frank aus Nonnenweier hatte der Referent eingangs dargestellt: In Mannheim hatte Frank noch Ende Juni 1914 auf einer Friedenskundgebung die Hoffnung zum Ausdruck gebracht, trotz der allgemeinen Kriegsgefahr möge ein großer Krieg ausbleiben. Innerhalb eines Monats wechselte er seine Meinung vom Kriegsgegner zum Befürworter: Er setzte sich nun für die Bewilligung der Kriegskredite ein und noch aus dem Reichstag meldete sich Ludwig Frank freiwillig zum Dienst an der Waffe. Er glaubte fest an einen Sieg und an die sich dann ergebenden Umgestaltungsmöglichkeiten zu mehr Demokratie in Deutschland. Bereits am 3. September 1914 fiel der Vierzigjährige in Lothringen. Herbert Vollmer, der Vorsitzende des Historischen Vereins, war bei seiner Begrüßung auf die Frage eingegangen, warum man zum diesjährigen 4. Nordracher Geschichtstag ein Jüdisches Thema gewählt habe, obwohl Nordach in seiner Geschichte keine jüdische Gemeinde hatte. Er erinnerte an das Wirken des Rothschild Sanatoriums von 1905 bis 1942. Fast 40 Jahr hielten sich hier jüdische Tb-kranke Patientinnen zu ihrer Genesung auf. Sie wurden 1942 deportiert und in den Vernichtungslagern umgebracht. Im Gedenken daran habe der Historische Verein Nordrach den 29. September zum Nordracher Geschichtstag erklärt.

Herbert Vollmer überreichte Eckhard Huber, der die Bilder seines Großonkels Karl August Arnold für die Ausstellung zur Verfügung gestellt hatte, einen Geschenkkorb mit „Nordracher Spezialitäten“