16. Oktober 2016

Vortrag „die ehemalige Reichsstadt Zell und die Stabgemeinde Nordrach“ von Dr. Dieter Petri

Bildungswerk und Historischer Verein Nordrach bieten jedes Jahr gemeinsame Veranstaltungen mit historischen Themen an. Rund fünfzig Besucher waren am vergangenen Mittwoch ins Pfarrheim in Nordrach gekommen, wo Dr. Dieter Petri einen Vortrag über „die Reichstadt Zell und die Stabgemeinde Nordrach“ hielt.

Petri erwähnte zunächst, daß die erste urkundliche Erwähnung von „Cella, Norderaha und Hademarsbach“ in einer Besitzurkunde von Papst Innozenz II. aus dem Jahr 1139 nachgewiesen sei, wonach diese Orte als dem Kloster Gengenbach gehörig bezeichnet werden. Im Jahre 1365 erhielten Zell, Nordrach und das Harmersbachtal von Kaiser Karl IV. Ortsgerichte mit einem Schultheiß (der die Schuld benennt) oder einem Vogt (advocatus – Anwalt des Rechts). Der Abt von Gengenbach setzte den Schultheiß in Zell und zunächst auch den Vogt in Nordrach ein, später bestimmte der Zeller Rat den Nordracher Vogt.

Petri beschrieb in seinen Bericht vor allem die Zeit des Dreißigjährigen Kriegs. Er skizzierte zunächst die Verwaltung, zu deren Aufgaben auch die Ausübung der Strafgerichtsbarkeit gehörte. Der Zeller Rat „Magistrat“ wurde von zwei „Stett-Meistern“ geleitet, die einzelnen Ratsmitglieder hatten einen Aufgabenbereich zu „meistern“, um die öffentliche Ordnung zu gewährleisten, z. B. als Jägermeister, Hirtenmeister, Unzuchtmeister oder Ziegelmeister. Zell unterhielt auch ein Spital für Gebrechliche, die sich nicht mehr selbst helfen konnten und keine Angehörigen hatten. Es stand zunächst vor der Stadtmauer an dem Ort, wo sich heute das Gasthaus „Sonne“ befindet. Im 30-jährigen Krieg wurde es von feindlichen Truppen angezündet und deshalb später oberhalb der ummauerten Stadt neu aufgebaut, ein Stadtrat war „Spitalmeister“ für die Verwaltung.

Am Schwörtag, der alle zwei bis drei Jahre am Montag nach Dreikönig stattfand, mußten alle waffenfähigen Bürger der Stadt und der Stabgemeinden vor dem Zeller Rathaus erscheinen. Dort mußten sie die verlesenen Vorschriften akzeptieren und die Obrigkeit respektieren. Der Kirchgang an Sonn- und Feiertagen war ebenso geregelt wie die Heirat, der Kauf von Liegenschaften.

In steter Regelmäßigkeit trugen Vögte und Geschworene an den Schwörtagen die Forderung vor, die „Zauberey“ und „Hexerei“ zu bestrafen. Kinderlosigkeit, Mißernten, Unwetter und Seuchen im Stall wurden als Werk von Teufeln betrachtet, mit denen Männer, aber vor allem Frauen angeblich im Bunde standen. In der Zeit von 1598 bis 1653 wurden vom Zeller Gericht 33 Personen wegen Hexerei hingerichtet.

Petri berichtete dann über einige Streitigkeiten, die vor dem Zeller Magistrat verhandelt wurden. So hat der Nordracher Vogt Adam Feger ein 7-Batzen Stück, das unter den Tisch gefallen war, aufgehoben und für sich behalten. Weil er sich entschuldigte und das Geld zurückgab, durfte er aber im Amt bleiben.

Im Jahr 1646 forderten der Nordracher Vogt und seine Gerichtsleute, daß der Zeller Magistrat etwas gegen die „stinkende Milch“ unternehmen solle. Die Zeller wußten aber auch keinen Rat. Es war wohl eine ansteckende Euterentzündung mit Colibakterien, vermutete der anwesende Tierarzt Dr. Wolf-Dieter Geißler.

Handel und Handwerk wollten die Zeller nach Möglichkeit bei sich in der Stadt behalten. Sie sahen es nicht gerne, wenn sich Handwerker in den Dörfern niederließen. So habe es Beschwerden über die Nordracher „Stümpler“ gegeben, die nicht nur für den eigenen Bedarf Brot gebacken haben. Es gab mit Billigung des Zeller Magistrats aber doch Handwerker in Nordrach, darunter Säger, Müller, Flößer, Krummholz und auch zeitweise einen Pfannenschmied.

In den Wirren des Dreißigjährigen Krieges mußten sich die Nordracher auch an den Schanzarbeiten in Offenburg beteiligen. Nach Kriegsende wurde Offenburg zusätzlich mit einem Palisadenzaun geschützt. Nordrach mußte zwanzig Baumstämme beisteuern.

Eine Begebenheit zum Schmunzeln: Die Nordracher Räte tagten im Gasthaus Stube und erhielten als Sitzungsgebühr ein Quantum Wein, das normalerweise aus den Einnahmen der Gemeinde bestritten wurde. Der Stubenwirt bekam in den Kriegsjahren aber offensichtlich den Wein nicht bezahlt, den die Räte üblicherweise bei den Sitzungen „becherten“. Die Gemeinde hatte wohl kein Geld dafür, weil sie ihre Einnahmen in den Kriegsbeitrag abgeben mußte. Deshalb verklagte der Gengenbacher Weinhändler Christman Schweiß im Jahre 1642 den Stubenwirt Hannß Ehler, der den Wein mangels Einnahmen nicht mehr bezahlen konnte.

Die Pfarrei Nordrach gehörte wie Zell bis 1806 zum Bistum Straßburg. In den Stabsgemeinden waren Weltgeistliche eingesetzt, die direkt dem Bischof unterstanden. Im Jahre 1631 warfen die Nordracher ihrem Pfarrer „Exzeße“ vor, ohne diese konkret zu beschreiben. Mit seinem Nachfolger gab es 1636 wegen des Kleinen Zehnten (in Geld) und des Großen Zehnten (in Korn) Streit. 1675 beschwerte sich der Pfarrer beim Zeller Rat, weil der Nordracher Vogt Adam Feger ihm vorwarf, seinen Geißbock erschoßen zu haben. Weil Feger seinen Vorwurf nicht beweisen konnte, wurde er zu einer Geldstrafe verurteilt, die auf Bitten des Pfarrers maßvoll ausfiel. Die Rechnung für die Nordracher Kirche wurde vom Zeller Stadtschreiber geführt.

Es überrascht sicherlich auch, daß ein Nordracher im Jahre 1622 (!) zu einer Wallfahrt zum überlieferten Grab des Apostels Jakobus nach Santiago de Compostela aufgebrochen ist. Christa und Georg Isenmann stellten 1639 beim Zeller Magistrat den Antrag, das Vermögen (50 Gulden) ihres Bruders, der sich siebzehn Jahre zuvor auf diese Wallfahrt begeben habe, unter sich aufteilen zu dürfen.

Dr. Dieter Petri schloß seinen Vortag mit der Bemerkung, „bei aller Kritik möchte ich die Kirche im Dorf laßen. Unsere Vorfahren haben, angeregt durch die Geistlichen, keinen Aufwand gescheut, um schöne Gotteshäuser zu errichten. Ohne diese wäre unsere Kulturlandschaft ärmer.“

Stefanie Vollmer vom Bildungswerkteam dankte Dr. Dieter Petri für seinen intereßanten Vortrag, den er auch mit zahlreichen Fotos bereichert hatte, und überreichte ihm zum Dank flüßige Nordracher Spezialitäten. Dr. Dieter Petri hielt einen Vortrag über die Reichsstadt Zell und ihre Stabgemeinde Nordrach.