23. Oktober 2023

Horst Feuer beleuchtete Leben und Wirken von Josef Bildstein

Am vergangenen Freitag fand im Nordracher Bürgerhaus der 11. Nordracher Geschichtstag statt. Der Historiker Horst Feuer beleuchtete das Leben und Wirken von Josef Bildstein. Fast sechzig Besucher waren gekommen und waren von seinem Vortrag begeistert.

Horst Feuer begeisterte die Besucher mit einem hochinteressanten Vortrag über das Leben und Wirken von Josef Bildstein

Josef Bildstein, wie Horst Feuer hervorhob, habe nicht studiert und keine Bücher geschrieben, habe nichts erfunden und nichts gegründet, keine Fabrik und keine Klinik, er sei weder Politiker noch Künstler, weder Pfarrer noch Kriegsheld, keine öffentliche Person oder was es sonst noch alles geben mag. Über ihn sei auch heute in Wikipedia kein Eintrag vorhanden, lediglich in Google eine Erwähnung der Biografie, die Dr. Dieter Kauß 2002 über ihn geschrieben hat. Er war ein „einfacher Arbeiter“ aus Nordrach.

Josef Bildstein kam am 9. Juni 1895 im elterlichen Haus am Großen Weiher im „Hinterthal“ Nordrach zur Welt. Sein Vater war der „Krummholz“ Josef Bildstein, die Mutter Kreszentia geb. Feger. Er hatte drei Schwestern. Nach dem Besuch der Volksschule in Nordrach absolvierte er keine Lehre, sondern wurde Waldarbeiter bei der Gemeinde Nordrach. Pflanzarbeiten, Wegbauarbeiten und das Anlegen von Ladplätzen gehörten zu seinem Arbeitsbereich.

Er wurde nach dem Ausbruch des 1. Weltkriegs Soldat. Näheres darüber sei nicht bekannt, bedauerte Feuer. Nach Kriegsende arbeitete er zunächst in der Heilstätte Friedrichsheim in Marzell im Kandertal, bis zur Schließung des Hauses 1923. In diesem Jahr heiratete er das Dienstmädchen Hierlanda Maria Doll aus Bad Rippoldsau. Im April 1924 trat er in die Dienste der Stadt Mannheim ein. Die Eheleute Bildstein zogen nach Neckargemünd, wo er im dortigen Genesungsheim, einer Einrichtung des Mannheimer Krankenhauses bis zu dessen Schließung 1935 arbeitete.

Nun erfolgte der Umzug in die Stadt Mannheim und Josef Bildstein wurde Mitarbeiter in der Gartenverwaltung des Städt. Hochbauamtes. Er hat bereits früh Interesse für Heimatgeschichte und Brauchtum gehabt. Seine Vorliebe für Heimatliteratur, historische Geschichten und die Schriften von Heinrich Hansjakob sei bekannt gewesen, hob Feuer hervor. Ganz wichtig, das Ehepaar bekam keine Kinder. Dies sei für den weiteren Lebenslauf von großer Bedeutung gewesen. Bildstein beginnt, Heimatliteratur zu erwerben, besucht Flohmärkte und Museen und ab der mittleren 1930er Jahre findet er Interesse an alten Uhren und Münzen.

Am 15. August 1943 wurde der 48-jährige eingezogen und leistete Kriegsdienst in Frankreich, wo er in Gefangenschaft geriet und erst im Februar 1946 entlassen wurde. Wenig später konnte er wieder bei der Stadt Mannheim arbeiten, stieg zum Vorarbeiter auf.

Er wurde Mitglied in einem Münzsammelverein und, freundlich und kontaktfreudig, wie er war, hat er auch Bekanntschaft mit wohlhabenden Persönlichkeiten sowie Besitzern von Gold- und Silberwarengeschäften gemacht. Nun wuchs seine Sammlung, er hatte seine Lebensaufgabe gefunden.

Im Jahre 1960 wurde er 65 Jahre alt, sein Arbeitsverhältnis endete und er kehrte am 2. Juli in sein elterliches Wohnhaus in Nordrach zurück. In der Stube des Häuschens zierten mit der Zeit immer mehr Uhren die Wände. Heimatliteratur, Fachbücher und Kataloge der Auktionshäuser füllten Schränke und Regale. Besuchern hat Bildstein gerne die Türen und Schubladen geöffnet, um sie an seinen gesammelten Kostbarkeiten teilhaben zu lassen.

Bereits im Jahr 1962 erkrankte seine Frau schwer und Bildstein pflegte sie bis zu ihrem Tod im Juni 1964. Von seinen drei Schwestern lebte nur noch Luise im Zeller Altersheim.

„Josef Bildstein blieb also allein zurück und er machte sich doch wohl schon seit langem Gedanken, was mit all dem passieren wird, was er so leidenschaftlich gesammelt hat, wenn er nicht mehr da ist“, meinte Feuer. Es sei ein Plan entstanden, sein Lebenswerk der Gemeinde Nordrach zu schenken, für ein Nordracher Heimatmuseum mit seinen Sammlungen. Er hatte auch feste Vorstellungen, wie das Erbe zu gestalten sei und welche Leistungen daran gebunden sein sollten. Sein Wunsch mit seinen Bedingungen stieß nicht auf die erwartete Gegenliebe. Die Nordracher Ratsherren hatten kein Interesse, erkannten den Wert der Sammlung nicht und lehnten das Angebot ab.

Bildsteinstuben

Schwer enttäuscht wandte sich Bildstein an den Zeller Museumsbetreuer Franz Berger, mit dem er befreundet war. Berger verwies ihn an Günther Haiss, Geschäftsführer der Keramik und Stadtrat. Nach mehreren Gesprächen und Briefwechseln teilte Bildstein seinem Freund Haiss mit Schreiben vom 1. Januar 1965 mit, dass er die Stadt Zell in seinem Testament berücksichtigen werde und ihr all sein Hab und Gut vermachen wolle. Eine der Bedingungen war, seine gesammelten Werke als Ganzes unter der Bezeichnung „Bildstein-Sammlung“ zu erhalten.

Im Juni 1972 wurde das Museum “Bildsteinstuben“ im Obergeschoss der Alten Kanzlei im Beisein von Josef Bildstein eröffnet. Der Stifter, der mittlerweile seinen „Alterssitz“ in einem von der Stadt zur Verfügung gestellten Eckzimmer des städtischen Krankenhauses hatte, betreute auch bis kurz vor seinem Tod persönlich „seine Bildsteinstuben“.

Bildsteinpreis

Vielleicht habe seine frühere Arbeit im Kindergenesungswerk eine positive Rolle gespielt, vermutete Feuer. Jedenfalls wollte Bildstein, selbst kinderlos, Kindern eine Freude machen. Zusammen mit dem ersten Rektor des Bildungszentrums Franz Elischberger entstand der Plan eines Schülerwettbewerbs. Die Schüler sollten eine Arbeit, in der Regel einen Aufsatz, anfertigen, die sich mit einem heimatkundlichen Thema beschäftigt. Die besten Arbeiten sollten mit einer Uhr belohnt werden, welche die Preisträger zusammen mit dem Bürgermeister aussuchen durften. Zur Ermittlung der Preisträger wurde eine Kommission gebildet, in die Thomas Kopp, Günter Haiss, Kurt Kussi und Franz Breig, die wichtigsten Zeller Ortshistoriker, berufen wurden.

Seit 1977 werden die Bildstein-Arbeiten in ununterbrochener Folge angefertigt und jedes Jahr im Juni/Juli die Preise vergeben. Bis heute sind insgesamt rund 2.000 Arbeiten geschrieben worden. Oft beschäftigen sie sich mit Hofgeschichten, Biografien der Eltern und Großeltern, den Sehenswürdigkeiten aller Orte des Tales, mit Brauchtum, Kleindenkmalen, Kriegserlebnissen und Katastrophen. Seit 1992 tauchen auch Themen wie Spätaussiedler, Gastarbeiter und später auch Flüchtlinge auf. Sie geben Einblicke in Heimatregionen und Kulturen der nach hier gekommenen Menschen. „Der Bildsteinpreiswettbewerb ist ganz ohne Zweifel eine Erfolgsgeschichte, einmalig und ganz sicher von kulturhistorischem Wert“, ist sich Horst Feuer sicher.

Zusammenfassung

„Wenn Sie heute Abend viel Neues zur Person Josef Bildstein erwartet haben, sind sie hoffentlich nicht enttäuscht. Zur Biografie des Josef Bildstein gibt es erwartbar eigentlich nicht so viel Neues zu berichten, zu einfach und zu „normal“ ist seine Lebensgeschichte. Aus einfachsten Verhältnissen kommend, hat Josef Bildstein ein Leben lang hart gearbeitet und bestimmt sparsam und einfach gelebt. Er hat die wenigen Mittel, die er erübrigen konnte, voll und ganz in sein Hobby gesteckt, in seine Leidenschaft, welche zu seinem Lebenszweck wurde“, zog Feuer sein Fazit, „und vielleicht das Wichtigste: Bildstein sammelte nicht nur für sich, wie es wohl viele tun, nein, er sammelte für alle! Ihm war ganz wichtig, seine Schätze zu zeigen, er wollte andere teilhaben lassen, wollte, dass Besucher kommen und seine Exponate sehen, bestaunen und bewundern. Ich glaube nicht, dass es viele weitere Beispiele dafür gibt, dass ein so einfacher Mensch, ohne jede berufliche oder gesellschaftliche Hervorhebung, es schaffte, für die Nachwelt sichtbar und in Erinnerung zu bleiben. Das hat er gut hingekriegt!“

Horst Feuer verstand es meisterhaft, das Leben und Wirken von Josef Bildstein lebhaft, anschaulich und mit zahlreichen Fotos zu schildern. Die begeisterten Besucher dankten ihm am Ende des ausgezeichneten Vortrags mit langanhaltendem Beifall.

Der Vorsitzende des Historischen Vereins Nordrach Herbert Vollmer zu Horst Feuer: „Dir ist es zu verdanken, dass Josef Bildstein auch in seiner Heimatgemeinde Nordrach endlich die verdiente Würdigung erhält.“