Erinnerungstafel an das Kinderheim Nordrach aufgestellt

Der Historische Verein Nordrach hat eine Erinnerungstafel an die Kinder der Nordracher Pouponnière anfertigen lassen. Am 17. Juni wurde sie an der Zufahrt zum ehemaligen Kinderheim, heute Schloss Rothschild, in einer kleinen Feierstunde enthüllt.

Am 6. Dezember 1945 erließ General Pierre König, Chef der Militärregierung der französischen Zone, den Befehl, dass die deutschen Behörden alle Kinder zu melden hatten, die von den Angehörigen der Vereinten Nationen abstammten, mit dem Ziel, alle „französischen“ Kinder zu erfassen. Aus Pariser Perspektive waren diese Kinder französische Staatsbürger, weswegen man sie für sich beanspruchte und nach Frankreich repatriieren wollte. Diese Inventur galt vor allem jenen Kleinkindern, die eine Deutsche als Mutter und einen Franzosen als Vater hatten. Die Aufforderung, diese Kinder unverzüglich anzuzeigen, wurden auch auf Plakaten angemahnt. Die beauftragten Rechercheoffiziere verließen sich aber nicht nur auf die Listen der Standesämter, sondern überwachten auch Hebammen und Geburtskliniken vor Ort. Sie sollen sogar Schwangere im Wochenbett befragt haben. Ein derart hoher Fahndungsdruck musste Unmut, Ängste und Gerüchte schüren und man vermutete eine Aktion „Kinderklau“, was es auch tatsächlich, zumindest teilweise, war.

Die Kinder, teils freiwillig, teils unter Druck, wurden ihren Müttern weggenommen und in speziellen Kinderheimen aufgenommen. Die Mütter mussten zuvor alle Rechte aufgeben. In der Pouponnière wurden die Kinder liebevoll gepflegt, aber auch einem strengen Auswahlverfahren unterworfen. Kinder, die nicht gesund waren, in ihrer Entwicklung zurückgeblieben waren oder an Missbildungen oder Behinderungen litten, wurden wieder an die deutschen Krankenhäuser oder Mütter zurückgegeben. Die für den französischen Staat als geeignet beurteilten Kinder erhielten bei der Adoption neue Namen, nur das Geburtsdatum und der Geburtsort blieben erhalten.

In Nordrach wurde das ehemalige Lebensbornheim (früher Sanatorium Rothschild) von 1947 bis 1949 als Drehscheibe für diese Kinder verwendet. In den zweieinhalb Jahren des Bestehens der Pouponnière Nordrach wurden hier ca. 400 Kinder aufgenommen. Wie viele Kinder darunter waren, die nach Frankreich zur Adoption kamen, ist nicht bekannt.   

Was man damit den Müttern und den Kindern angetan hat, ist sicherlich von Fall zu Fall unterschiedlich. Jedenfalls haben später viele „Franzosenkinder“ nach ihren Wurzeln gesucht und selbst den deutsch-französischen Verein „Herzen ohne Grenzen“ gegründet, um bei der Suche nach ihrer Herkunft behilflich sein zu können.

Der Historische Verein Nordrach hatte bereits im Jahre 2013 seinen dritten Nordracher Geschichtstag der Nordracher Pouponnière gewidmet. Michael Martin aus Landau, ebenfalls ein „Franzosenkind“, berichtete damals über seine Schwierigkeiten, Informationen über seine Herkunft zu erhalten.

Auf Anregung des Vereins „Herzen ohne Grenzen“ hat der Historische Verein Nordrach eine Erinnerungstafel mit deutschem und französischem Text anfertigen lassen. An der kleinen Feierstunde am 17. Juni 2025, bei der sie enthüllt wurde, nahmen neben Vorstandsmitgliedern des Historischen Vereins auch Bürgermeister Carsten Erhardt, die Grundstückseigentümer Burkard und Luka Isenmann, sowie Beatrice Kelsch vom Verein „Herzen ohne Grenzen“ teil. Lore Poulet war als Dolmetscherin behilflich. Der Vorsitzende des Historischen Vereins Herbert Vollmer hatte den Termin so gewählt, dass auch Frau Claudine Spire und ihr Ehemann Olivier aus Paris teilnehmen konnten. Frau Claudine Spire hat als Kleinkind 1947/48 sieben Monate lang im Nordracher Kinderheim gelebt, bis sie nach Frankreich „expatriiert“ und von einem französischen Ehepaar adoptiert wurde.

Claudine Spire berichtete in bewegenden Worten, wie wichtig es ihr war, ihre leibliche Mutter zu finden und das Kinderheim, in dem sie einige Monate ihres jungen Lebens verbracht hat. „Nordrach ist für mich fast wie eine zweite Heimat geworden“, sagte Frau Spire, den Tränen nahe. Sie war schon mehrfach in Nordrach gewesen und konnte zuletzt im Jahr 2017 von Helene Haas, die in dem Nordracher Kinderheim gearbeitet hatte, viele Informationen erhalten.